Huygens - Titan 4B (002)  

Huygens

Sonde der ESA, die von dem Orbiter Cassini transportiert wurde, zur Untersuchung des Titan.

» Daten:
Start:  15. Okt. 1997, 08:43 GMT
Ziel:  Landung (Titan): 14. Jan. 2004, 11:38 GMT
Ende:  14. Jan. 2005, 12:50 GMT
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» Nutzlast:  DISR, DWE, GCMS, SSP, ACP, HASI, IDS
Leergewicht im Orbit: 319 kg

Bild vergrößernEintritt in die Atmosphäre
©ESA-D. DUCROS

Das Raumsonden-Tandem Cassini/Huygens erreichte am 1. Juli 2004 nach fast siebenjährigem Flug den Saturn. Während für die NASA-Sonde Cassini damit eine mindestens vierjährige Orbit-Tour um den Saturn begann, feierte die ESA mit ihrer Sonde Huygens am 14. Januar eine Premiere: die historische Landung auf der Oberfläche des größten Saturn-Monds Titan.

Bild vergrößernVorbeiflug am Titan im Oktober 2004
©NASA / JPL / Space Science Institute

Der Mond Titan ist mit seinem Durchmesser von 5.140 Kilometern nach dem Jupiter-Trabanten Ganymed der zweitgrößte Mond unseres Sonnensystems und größer als etwa der Planet Merkur. Huygens war am 25. Dezember vom Cassini-Orbiter gegen Ende der ersten Saturnumkreisung ausgesetzt worden und in Richtung Titan geflogen. Rund zwei Wochen später trat sie am 14. Januar um 11:13 Uhr MEZ in die neblige Atmosphäre des Mondes ein. Die mit einer Geschwindigkeit von rund 30.000 km/h auf den Titan stürzende Sonde war zunächst durch die Atmosphäre des Mondes abgebremst worden. Sobald sich ihre Geschwindigkeit auf etwa 1.400 km/h verlangsamt hatte, wurden eine Reihe Fallschirme entfaltet, um einen kontrollierten Abstieg und die Messungen zu ermöglichen. Um 13.45 Uhr landete Huygens schließlich auf der gefrorenen Oberfläche des Saturnmondes.

Bild vergrößernDer Landeplatz auf Titan von Cassini aus gesehen
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Huygens sendete noch mehrere Stunden nach dem Aufsetzen Daten - selbst als der Cassini-Orbiter bereits hinter dem Horizont verschwunden war und die Speicherung der empfangenen Daten eingestellt hatte, um sie zur Erde weiterzuleiten. Allein von der Oberfläche des Titan konnte Cassini während einer Dauer von 1 Stunde und 12 Minuten Daten in hervorragender Qualität empfangen. Insgesamt wurden von Huygens in 3 Stunden und 44 Minuten mehr als 474 Megabytes Daten empfangen, darunter etwa 350 Fotos, die während des Abstiegs und am Boden entstanden und die eine allem Anschein nach von Erosion geformte Landschaft mit Kanälen und küstenähnlichen Gebieten und sogar kieselsteinförmigen Gegenständen auf der Oberfläche zeigen.

Bild vergrößernPhasen der Landung von Huygens auf dem Titan
©ESA

Während des Abstiegs zur Oberfläche wurde die Atmosphäre ab einer Höhe von 160 km erkundet. Die Analyse der dabei gewonnenen Proben ergab eine einheitliche Mischung aus Methan und Stickstoff in der Stratosphäre. Von der Troposphäre bis hinunter zur Oberfläche nahm die Methankonzentration zu. In etwa 20 km Höhe wurden außerdem Methanwolken und in unmittelbarer Nähe der Oberfläche Methan- oder Äthannebel entdeckt. Das von der Sonde ausgesandte Signal, das von einem weltumspannenden Netz von Radioteleskopen auf der Erde aufgefangen wurde, gestattete die Berechnung ihrer tatsächlichen Abstiegsbahn mit einer Genauigkeit von bis zu 1 km und der auf Titan herrschenden Windgeschwindigkeiten. In verschiedenen Höhen von 125 bis 20 km über der Oberfläche des Mondes wurden Aerosolproben aus der Atmosphäre entnommen und an Bord der Sonde analysiert. Tonaufnahmen während des Abstiegs, die mögliche Donnergeräusche von entfernten Blitzen aufspüren sollten, lieferten eine aufregende akustische Untermalung.

Bild vergrößernHellere Hochgebiete und niedrigere und flachere, dunkle Regionen
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Die faszinierenden Aufnahmen des abbildenden Abstiegs-Spektralradiometer (DISR) lassen erkennen, dass Meteorologie und Geologie auf dem Titan erstaunlich irdisch sind. Die Bilder zeigen ein komplexes Netz schmaler Kanäle, die hellere Hochgebiete und niedrigere und flachere dunkle Regionen durchziehen. Diese Kanäle vereinigen sich zu Fluss-Systemen, die wiederum in Seen münden. In diesen sind "Inseln" und "Sandbänke" zu erkennen, die bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit denen auf unserer Erde aufweisen.

Bild vergrößernMosaik einer Gegend mit Kanälen und Bergrücken auf Titan
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Die Auswertung der Daten des Gaschromatograph-Massenspektrometers (GCMS) und des wissenschaftlichen Oberflächenmoduls (SSP) lieferten eindeutige Hinweise darauf, dass auf dem Titan Materie in flüssiger Form vorhanden ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht etwa um Wasser wie auf der Erde, sondern um Methan. Diese einfache organische Verbindung kommt bei den auf dem Titan herrschenden Temperaturen von unter –170 °C in flüssiger oder gasförmiger Form vor. Zum Zeitpunkt der Landung von Huygens auf Titan waren die Flüsse und Seen allem Anschein nach ausgetrocknet, doch dürfte es noch vor kurzem Niederschläge gegeben haben.

Bild vergrößernErstes Farbbild vom Titan
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Nach dem sanften Aufsetzen der Sonde mit einer Geschwindigkeit von ca. 4,5 m/s wurde eine Reihe von Instrumenten ausgefahren, die sofort große Datenmengen über die Struktur und Beschaffenheit der Titanoberfläche zu senden begannen. Der Landeplatz erinnert an mit einer dünnen Kruste überzogenen nassen Sand oder Lehm und scheint hauptsächlich aus einem Gemisch von trübem Wassereis und Kohlenwasserstoffeis zu bestehen, weshalb der Boden dunkler als erwartet ist. In Bodenhöhe wurde eine Temperatur von rund – 180 °C gemessen.

Bild vergrößernZwei neue Charakteristika Titans: Wassereis und Methanquellen
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Die vom wissenschaftlichen Oberflächenmodul (SSP) während der Abbrems- und Aufprallphase gesammelten Daten lassen erkennen, dass die unter der Oberfläche liegenden Schichten eine sandartige Konsistenz haben, was möglicherweise auf den seit Jahrmillionen herab fallenden Methanregen oder aus dem Boden dringende Flüssigkeiten zurückzuführen ist. Die von Huygens nach der Landung ausgehende Wärme erhöhte die Temperatur des Bodens unter der Sonde, so dass sowohl das Gaschromatograph-Massenspektrometer (GCMS) als auch das SSP Methangasausbrüche registrieren konnten. Damit konnte die in der Geologie und der atmosphärischen Meteorologie des Titan vorherrschende Rolle von Methan bestätigt werden: Durch das Gas bilden sich Wolken und Niederschlag, der die Oberfläche erodiert und abträgt.

Bild vergrößernDas 1. Bild nach der Landung
©ESA / NASA / JPL / University of Arizona

Die Bilder des abbildenden Abstiegs-Spektralradiometer (DISR) zeigen außerdem kleine Kieselsteine mit einer runden Oberfläche in einem ausgetrockneten Flussbett. Ihre Zusammensetzung scheint jedoch nicht aus Silikatgestein sondern aus schmutzigem Wassereis zu bestehen, wie eine Auswertung der durchgeführten Spektralmessungen (Farben) ergab. Diese Wassereisbrocken sind bei den auf Titan herrschenden Temperaturen jedoch steinhart. Der Boden des Titan scheint zumindest teilweise aus Ablagerungen des den Mond umgebenden organischen Dunstes zu bestehen. Diese dunkle Materie aus der Atmosphäre konzentriert sich bei Methan-Niederschlägen am Boden von Kanälen und Flußbetten und trägt zu den auf den dunklen Gebieten bei, wie sie auf den DISR-Bildern sichtbar sind.

Eine verblüffende Entdeckung in der Atmosphäre des Titan war der Nachweis von Argon 40. Dies deutet darauf hin, dass es auf dem Titan zu Vulkanausbrüchen gekommen ist, bei denen allerdings nicht wie auf der Erde Lava, sondern Wassereis und Ammoniak ausgestoßen wurden. Dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die auf dem Saturnmond nachgewiesenen geophysikalischen Prozesse zwar denen auf der Erde ähneln, ihnen aber eine völlig andere Chemie zugrunde liegt. Statt flüssigem Wasser gibt es auf Titan flüssiges Methan, statt Silikatgestein Wassereis, statt Schmutz findet man Ablagerungen von Kohlenwasserstoff aus der Atmosphäre und die Vulkane des Titan speien keine Lava, sondern sehr kaltes Eis. Mit anderen Worten: Titan ist eine außergewöhnliche Welt, in der uns wohlbekannte geophysikalische Prozesse mit exotischen chemischen Verbindungen unter völlig anderen Bedingungen ablaufen.

Bild vergrößernSignal-Übertragungswege von Huygens
©ESA

Rückblick: Cassini/Huygens an Erde: Wir haben ein Problem
Dass die von Huygens übermittelten Daten in den geplanten Mengen zur Erde übermittelt werden konnten, war im Verlauf der Mission nicht immer sicher gewesen. Bei einem Systemtest im Februar 2000 und einer Wiederholung der Tests Anfang September 2000 ergaben Signaltests, dass die Titan-Landesonde die Messdaten möglicherweise nicht störungsfrei an den Cassini-Orbiter übermitteln könnte. Obwohl die Sender an Bord von Huygens und der Empfänger an Bord von Cassini in ihren Frequenzbereichen exakt aufeinander abgestimmt wurden, reichte die Bandbreite zur Übertragung der Daten nicht aus. Denn der Cassini-Orbiter verharrte während der Landemission von Huygens nicht still über der Landesonde, sondern entfernt sich mit rund fünf Kilometern pro Sekunde von ihr. Die Folge: Durch die Bewegung Huygens in Richtung Titan mit einer Geschwindigkeit von 5,6 km/sec. verschiebt sich das Frequenzband entsprechend und es kommt zu einer so genannten Dopplerverschiebung. Wie unterschiedliche Töne, die man bei einem sich nähernden und wieder entfernenden Zug wahrnimmt, kommen die Funkwellen von Huygens bei Cassini anders an, als sie abgeschickt wurden. Dabei ist es egal, ob sich beide Sonden mit unterschiedlicher oder gleicher Geschwindigkeit aufeinander zu oder voneinander weg bewegen: Infolge der Frequenzverschiebung hätte Cassini nur etwa 10 Prozent der Signale von Huygens auffangen können. Der frequenzverschobene Rest wäre auf Nimmerwiedersehen im kosmischen Nirwana verschwunden.

Der Ausweg aus dem Dilemma wurde schließlich von einer gemeinsamen Task-Force von ESA- und NASA-Experten entwickelt. Die Lösung war einfach und genial zugleich: Wenn man die Relativgeschwindigkeit zwischen Cassini und Huygens verringert, kann man zugleich die Doppler-Verschiebung verkleinern. Nun musste nur noch eine neue Flugroute festgelegt werden, die den geforderten Parametern entsprach. Sie hatte zur Folge, dass die Trennung von Cassini und Huygens sieben Wochen später, als ursprünglich geplant, durchgeführt werden musste. Die ursprünglich für den 27. November 2004 vorgesehene Landung auf dem Saturnmond vorschob sich daher auf den 14. Januar 2005. Statt zwei gezielter naher Vorbeiflüge an Titan – inklusive Landung – ermöglichte der neue Kurs jetzt drei Vorbeiflüge, so dass die Landestelle auf dem Mond sowie die Windverhältnisse in unmittelbarer Umgebung vor der eigentlichen Landung bereits zweimal zuvor detailliert erkundet werden konnten.

Der erste gezielte Vorbeiflug erfolgte planmäßig am 26. Oktober 2004 in nur 1.200 Kilometer Entfernung, gefolgt vom zweiten gezielten Vorbeiflug am 13. Dezember 2004 in 2.210 Kilometer Entfernung. Damit konnte die entscheidende dritte Begegnung am 14. Januar 2005 in gewünscht neuer großzügiger Entfernung stattfinden. Statt der früher geplanten 1.200 Kilometer waren die beiden Raumfahrzeuge dieses Mal 60.000 Kilometer voneinander entfernt. Dies hatte den gewünschten Effekt, die Doppler-Verschiebung ausreichend zu verringern. Ein Nachteil der neuen Flugbahn war lediglich ein höherer Treibstoffverbrauch beim Einschuss in die Saturnumlaufbahn.

Neben den zwei Kanälen zur Datenübertragung zwischen Huygens und Cassini existierte noch ein weiterer Kanal. Über den C-Kanal wurde von der Landesonde ein Trägersignal und parallel die Daten vom A-Kanal direkt zur Erde abgestrahlt. Dies erwies sich als Glücksfall, als es während der Landephase zum Ausfall dieses ersten der beiden Sendekanäle von Huygens kam. 90 Prozent der von der Landesonde übermittelten Daten schienen zunächst verloren, darunter die Daten des Doppler-Windexperiments, das die Geschwindigkeit von Huygens in der Titan-Atmosphäre messen sollte. Eine globale Blitzaktion von 18 Radioteleskopen, die dem Trägersignal von Huygens lauschten, lieferte jedoch derart präzise Daten, dass damit auch die Geschwindigkeit der Sonde zuverlässig bestimmt werden konnte und die Rekonstruktion weiterer zunächst verloren geglaubter Daten ermöglichte.





 
 
 
 

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22.02.2015

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Autor dieses Artikels:  Redaktionsbüro cclive

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